Vortrag von Prof. Dr. Gerhard Marcel Martin am 24.03.2023

„Sehnsuch leben“

Von Angelika Knöpker

Walstedde. Jeder kennt sie oder hat sie: die Sehnsucht, das unstillbare Verlangen nach Unerreichbarem, nach dem ganz Anderen. Bei dem Versuch, diesen Begriff zu erklären, nahm Professor Dr. Gerhard Marcel Martin die Zuhörer im Hotel „Leib & Seele" am Freitagabend mit auf eine interessante, aber durchaus anstrengende Reise. Er beleuchtete den Begriff aus theologischer, psychologischer und literarischer Sicht anhand zahlreicher Beispiele. So nannte er Philosophen und Theologen wie Emmanuel Lévinas und Nikolaus von Kues, Mystikerinnen wie Mechtild von Magdeburg und Meister Eckart, die auf Denk- und Erfahrungswegen der Sehnsucht unterwegs waren und sie niedergeschrieben haben. Der Professor, der praktische Theologie an der Philipps-Universität Marburg gelehrt hat und Anfang der 2000er Jahre eine Gastprofessur in Amerika hatte, nannte auch Songwriter wie Leonard Cohen und Bob Dylan, die in ihren Liedern immer wieder die Sehnsucht thematisiert haben. „Leonard Cohen hat darüber ein Buch geschrieben, das 2006 erschienen ist", sagte er. Psychologisch ordnete der Referent die Sehnsucht in eine Welt der Stimmungen ein, zwischen Angst und Wut, Trauer und Interesse, die frei, aber auch krank machen könnten. Dabei sei der Begriff eng verknüpft mit dem Begehren und Sehnsucht nicht ein Sammelbegriff für die Glücksuche der besonderen Art. „Sie ist weit mehr als nur Hoffnung", machte der Professor deutlich. „Sehnsucht bleibt „flirrig" und undefinierbar".

Sehnsucht sei aber immer auch mit Leidenschaft und Hingabe verbunden, stelle eine Wechselwirkung zwischen Sehnsucht und Liebe dar. Sie führe als Motor durch das ganze Leben und entfalte eine große Energie. Die Diplom-Theologin Monika Schmelter, Mitglied der Akademie Gegenwart am Gesundheitszentrum Haus Walstedde, dankte dem Referenten mit einem Präsent aus heimischer Brennerei für seinen Vortrag. Ein dickes Lob erhielt Simon Wiesrecker für die musikalische Einstimmung am Klavier. Passend zum Thema hatte er Beethovens „Ode an die Freude" als eigene Interpretation vorgestellt. Im Rahmen des Europatags wird er das Stück auch in Frankreich spielen.


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