Vortrag von Lisa Kötter und Monika Schmelter am 29.01.2023

„In or out in Church" – Ist die katholische Kirche noch zu retten?

Von Angelika Knöpker

Walstedde. Die Zahlen sprechen für sich. Im vergangenen Jahr gab es in Nordrhein-Westfalen 223 509 Kirchenaustritte, ein Jahr vorher waren es rund 70 000 weniger. „In or out in Church - ist die katholische Kirche noch zu retten?" hieß die Diskussionsveranstaltung, zu der die Akademie Gegenwart am Gesundheitszentrum Haus Walstedde am Sonntagnachmittag eingeladen hatte. Unter der Moderation von Raphaela Blömer stellten Lisa Kötter, Künstlerin, Buchautorin und Mitinitiatorin von Maria 2.0 und Monika Schmelter, Diplom-Theologin und Buchautorin die Bewegung vor, die vor einem Jahr durch die Veröffentlichung einer Fernsehdokumentation „ Wie Gott uns schuf" ungeahnte Kräfte frei gesetzt hat. Monika Schmelter schilderte eindrucksvoll ihren beruflichen Lebensweg über Ordensfrau bis hin zur Leiterin von zwei Behinderteneinrichtungen in Trägerschaft der Caritas. Sie engagiert sich besonders für die Akzeptanz der Gruppe queerer Menschen, zu denen auch sie gehört. „Wenn das vor 40 Jahren bekannt geworden wäre, hätte ich meinen Arbeitsplatz verloren", sagte sie. Jetzt wolle sie durch Maria 2.0 diesen Menschen eine Stimme geben. Lisa Kötter übte scharfe Kritik am System Katholische Kirche, in der alte Männer dominieren und Frauen eine Mitwirkung verweigerten. „Das System schützt und zieht anderen den Boden unter den Füßen weg", kritisierte sie das frauenfeindliche Machtverhalten der Kleriker. Durch die Bewegung Maria 2.0 hätten die Frauen jedoch ihre Angst verloren und sich mutig für Reformen eingesetzt. Doch die katholische Kirche habe sich nicht einen Millimeter fort bewegt. Als Konsequenz habe sie sich vor einem Jahr zum Kirchenaustritt entschlossen. Monika Schmelter hat ihre Beziehung zu einer Frau 40 Jahre lang geheim gehalten und wesentlich dazu beigetragen, dass die Dokumentation entstehen konnte. Unter dem Titel „Menschen wie Du und ich, und das sind viele" habe die Bewegung eine Kampagne mit einem Manifest und Forderungen in Bewegung gesetzt mit dem Ergebnis, dass für das Bistum Münster eine Diversitätsbeauftragte eingestellt wurde und Anfang des Jahres ein neues kirchliches Arbeitsrecht in Kraft getreten ist gegen Diskriminierung und Sanktionierung queerer Menschen.

Wie soll es weitergehen? Dieser Frage ging neben den Referentinnen auch das Publikum nach. Es forderte die Abschaffung von Machtstrukturen innerhalb der Kirche, ein Einmischen der Politik und eine Öffnung der Kirchenräume für alle. Klimaaktivisten, die sich für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen, sollten hier ebenso ihren Versammlungsraum haben wie andere Vereine und Gruppierungen. Und dort, wo kirchliche Gebäude ungenutzt seien, sollten Wohnungen für Benachteiligte geschaffen werden.

Die Appelle fasste die Moderatorin am Ende der zweistündigen Diskussion mit einem Zitat von Ruth Bader Ginsberg, ehemalige Richterin des obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten, so zusammen: „Wahrer Wandel, nachhaltige Veränderung geschieht Schritt für Schritt." In diesem Sinne hat Maria 2.0 die Weichen gestellt.


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